Die Geschichte des Unimog – 1945 bis 1949

1945 – Grundidee eines universellen Ackerschleppers:
Die Grundidee zu einem universell einsetzbaren Ackerschlepper wurde unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg im Sommer 1945 von Albert Friedrich (1902–1961) entwickelt, dem ehemaligen Leiter der Flugmotorenentwicklung der Daimler-Benz AG in Berlin Marienfelde. Im Zuge der durch das nahende Kriegsende bedingten großen Wanderbewegung von Ost nach West hatte er kurz vor Kriegsende Berlin verlassen und sich nach Schäbisch Gmünd durchgeschlagen. Friedrich, der seine Kindheit im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb verbrachte und nach seinem Studium zum Ingenieur vor seiner Anstellung bei Daimler-Benz zunächst bei BWM, Argus und Horch arbeitete, hatte sich wohl bereits in der letzten Phase des Krieges mit dem Konzept eines neuartigen Ackerschleppers beschäftigt und griff diese Arbeiten nun beginnend im Sommer 1945 wieder auf. Über die genauen Umstände dabei geben unterschiedliche Quellen recht verschiedene Auskünfte, darauf gehe ich im nächsten Abschnitt der Unimog-Historie noch etwas näher ein. Offenbar war er in Räumlichkeiten der Metallverarbeitungsfabrik für Gold- und Silberwaren Erhard & Söhne untergekommen. Während des Krieges musste dort die Gold- und Silberwarenproduktion eingestellt werden. Man stellte stattdessen Kraftstofftanks und Ölkühler für Flugzeugmotoren her. Nach dem Krieg versuchte man nun durch Umstellung der Tätigkeiten, der drohenden Demontage im Zuge des Morgenthau-Plans zu entgehen. Friedrich und seinem kleinen Team wurden Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, so dass mit der Entwurfsarbeit begonnen werden konnte. Auch hatte Eduard Köhler, Mitinhaber und technischer Leiter bei Erhard & Söhne, offenbar erste Geldgeber für die Unternehmung gefunden. Im November 1945 erhielt Friedrich von der zuständigen amerikanischen Militärbehörde in Stuttgart die Genehmigung zum Bau von zunächst 10 landwirtschaftlichen Fahrzeugen gemäß seinem Grobentwurf. Dabei war ihm neben den Englischkenntnissen seiner Tochter auch Köhler behilflich. In der unmittelbaren Nachkriegszeit mussten solche Vorhaben von der jeweiligen Besatzungsmacht der entsprechenden Zone genehmigt werden. Diese Genehmigungen, „Production Orders“ genannt, waren selten. Damals war der sogenannte Morgenthau-Plan aktuell, also die geplante Deindustrialisierung Deutschlands und dessen Umformung zu einem Agrarstaat, benannt nach dem damaligen US-amerikanischen Finanzminister Henry Morgenthau. Zu diesem Vorhaben passte der von Friedrich vorgeschlagene Ackerschlepper gut. Diesem Umstand ist wohl die Genehmigung zu verdanken. Am 1. Dezember 1945 unterzeichnete Friedrich einen Vertrag mit Erhard & Söhne in Schwäbisch-Gmünd über die Produktion dieser 10 genehmigten Fahrzeuge.

1946 bis 1947 – Die ersten Prototypen bei Erhard & Söhne in Schwäbisch-Gmünd:
Im Januar 1946 stieß Heinrich Rößler (1911–1991), ehemals bei Daimler-Benz in der dortigen PKW- und Motorenentwicklung tätig, zu der kleinen Gruppe rund um Albert Friedrich bei Erhard & Söhne hinzu. Friedrich hatte seinen alten Kollegen zuvor im Sommer oder Herbst 1945 im Daimler-Werk Untertürkheim wiedergetroffen und ihm seine Pläne vorgestellt und davon überzeugt, ab 1946 an dem Vorhaben mitzuwirken. Noch im Januar 1946 erstellte Rößler auf Grundlage der Konzeption von Friedrich einen völlig neuen Gesamtentwurf des Fahrzeugs, das zu diesem Zeitpunkt noch keinen Namen hatte. Rößler wurde später Entwicklungschef der Unimog-Abteilung von Daimler und blieb dies bis zu seinem Ruhestand 1976. Der Name Unimog steht für Universal-Motor-Gerät und wurde von Hans Zabel (1904–1987), einem weiteren Mitglied der kleinen Gruppe rund um Friedrich, im Frühjahr 1946 erdacht. Zabel wurde später Unimog-Vertriebschef bei Daimler. Für den neuen Gesamtentwurf von Rößler musste aufgrund der Unterschiedlichkeit zu den zuvorigen Entwürfen von Friedrich bei der US-Militärverwaltung im März 1946 erneut eine Produktionsgenehmigung eingeholt werden, die aber erst über ein Jahr später im Sommer 1947 seitens der dann gemeinsamen britischen und amerikanischen Militärregierung erfolgte und zunächst 50 bis 100 Fahrzeuge genehmigte. Vier Prototypen (U1 bis U4) wurden von Rößler in der Folge entwickelt und bei Erhard & Söhne gebaut. Als Motor kam der Daimler-Benz-Benzinmotor vom Typ M136, eine Vorkriegsentwicklung, zum Einsatz. Die Reifen kamen von Continental. Elektrische- und Einspritzanlage stammten von Bosch, das Getriebe von der Zahlradfabrik Friedrichshafen (ZF). Die Karosserie- und Blechteile stammten von Erhard & Söhne selbst, wobei deren Größe durch die Dimensionen vorhandener Presswerkzeuge bestimmt wurde. Durch eine fehlende Schmiedeeinrichtung wurden die Achsen aus verschweißten Blechteilen gefertigt. Diese ursprünglich den (Nachkriegs-) Gegebenheiten geschuldete Bauweise bewährte sich aber so sehr, dass selbst später zu Zeiten, in denen die Unimog bei Daimler-Benz hergestellt wurden, die Achsen noch in dieser Weise gefertigt von Erhard & Söhne geliefert wurden – insgesamt circa 250.000 Achsen. Offenbar geschah der Bau der Prototypen zumindest bis Mitte 1947 zwar bereits auf Basis des von Rößler entwickelten stark abgeänderten Gesamtentwurfs, aber mit der (alten) Genehmigung (für 10 Fahrzeuge), die Friedrich noch mit seinem alten Entwurf Ende 1945 bei der damals noch rein amerikanischen Militärregierung erhielt. Der erste dieser Prototypen wurde bereits am 9. Oktober 1946 einer ersten Testfahrt unterzogen, zunächst noch ohne Karosserie. Noch im gleichen Monat erfolgten auch bereits Fahrten mit einem zweiten zeitgleich gebauten Prototyp. Im Dezember wurde dann auch bereits die Karosserie der ersten Prototypen fertiggestellt. … Mit dem Bau der ersten vier Prototypen erschöpften sich jedoch die Möglichkeiten, welche die Räumlichkeiten bei Erhard & Söhne boten. Es mussten also neue Wege gegangen werden. Gemäß unterschiedlicher historischer Unterlagen wurde bereits noch 1946, spätestens jedoch 1947, die Unimog-Entwicklungsgesellschaft mit insgesamt 200.000 Reichsmark Stammkapital gegründet. Eigentümer waren neben Albert Friedrich auch Rolf und Wolfgang Böhringer von der Firma Gebr. Böhringer in Göppingen, die sich damit die spätere Serienproduktion sicherte, zudem Heinz Erhard und Eduard Köhler von der Firma Erhard & Söhne sowie Franz Catta, ein Lederfabrikant, der als Geldgeber fungierte.

 

Einschub: Friedrich oder Rößler – wer war nun der eigentliche geistige Vater des Unimog?
Aufgrund der umfangreichen Umarbeitung des ersten Grobentwurfs von Friedrich durch Rößler hin zu dem Gesamtentwurf, der dann zur Grundlage des Unimog wurde, wie wir ihn kennen, kann man eigentlich hautsächlich Rößler als den Erfinder des Unimog bezeichnen. Die Patentanmeldung (s.u.) erfolgte im Namen beider. Friedrichs ursprünglich angedachter Landtraktor hätte vermutlich nicht den Erfolg des Unimog gehabt. Seine Rolle kann daher eher als die des Initialzünders der ganzen Unternehmung angesehen werden und als derjenige mit der Grundidee und dem notwendigen Engagement und den Beziehungen. Dies soll seine Rolle keineswegs schmälern oder die von Rößler überhöhen. Ohne Albert Friedrich gäbe es den Unimog nicht. Ohne Heinrich Rößler aber auch nicht. Rein technisch betrachtet hatte Rößler aber den größeren Anteil an jenem Konzept, das später so erfolgreich wurde.

 

Anfang 1948 – Übergang zur Firma Gebr. Böhringer in Göppingen:
Beginnend von etwa Ende 1947 bis Anfang 1948 kam es zu einer schrittweisen Überleitung der Arbeiten zur Firma Gebrüder Böhringer in Göppingen, wo im Laufe des Jahres 1948 die mit den damals ganz neuentwickelten Dieselmotoren OM 636 von Mercedes arbeitenden weiteren beiden Prototypen U5 und U6 entstanden. Die Firma Böhringer war bereits vor dem Krieg eine für ihre Qualitätsarbeiten bekannte Werkzeugmaschinenfabrik.

August 1948 – Erste öffentliche Ausstellung:
Im August 1948 stellte man die beiden jüngsten Prototypen auf der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) Messe in Frankfurt aus und kam mit über 150 Vorbestellungen zurück nach Göppingen. Als gleichzeitig Schlepper, vielseitiges Arbeitsgerät für unterschiedliche Anbaugeräte sowie auch Transporter war der Unimog in seiner namensgebenden Universalität völlig neuartig – und blieb bis heute in dieser Form einzigartig. Historisch ist es nicht ganz gesichert, dass es tatsächlich der U5 und der U6 waren, die auf der Messe ausgestellt wurden, aber man geht davon aus. Auf das einzigartig universelle Fahrzeugkonzept geht auch der folgende Unimog-Werbefilm von Mercedes-Benz ein, der vermutlich Anfang der 1970er-Jahre entstand.

 

Einschub: Patentanmeldung Ende 1948
Am 21. November 1948 wurde von Friedrich und Rößler das erste und wichtigste Patent des Unimog-Konzeptes beim Deutschen Patentamt in München angemeldet. Es folgten noch viele weitere. Gewährt wurde dieses Patent am 11. Oktober 1956. Solch lange Bearbeitungszeiten sind bis heute üblich im Patentwesen. Der Schutz, den ein Patent bietet, gilt bei späterer Gewährung (Erteilung) des Patents auch rückwirkend und beginnt am Anmeldetag. In der einschlägigen Literatur wird manchmal fälschlicherweise davon berichtet, dass am 21. November 1948 bereits das Patent erteilt wurde. Tatsächlich war dies aber erst der Tag der Anmeldung und somit die sogenannte Priorität. Die Priorität ist im Patentwesen der Stichtag der Erfindung, der über Neuheit gegenüber späteren Erfindungen und über die exakte Laufzeit des Patentschutzes (20 Jahre ab Priorität) entscheidet.

Die Patentschrift
Dieses erste und entscheidende Patent zum Unimog-Konzept beschreibt als Oberbegriff der Erfindung einen Ackerschlepper mit vier gleichgroßen Rädern, mit Kupplungseinrichtungen zum Schleppen und Schieben und zum Antreiben landwirtschaftlicher Geräte und mit einer Anordnung von Lenkung, Motor und Fahrersitz alle zusammen auf einer Seite des Gefährts. Als Oberbegriff bezeichtet man im Patentwesen den Kontext von bereits bekannten Vorrichtungen, in die die folgenden, die Erfindung kennzeichnenden, neuen und erfinderischen und das Ganze somit erst zu einer per Patent schutzfähigen Erfindung machenden Merkmale eingebettet sind.

Das die Erfindung kennzeichnende Hauptmerkmal (Hauptanspruch) des Unimog-Patents lautet:

    • Dass sich Lenkung Motor und Fahrersitz an der durch die gelenkte Achse definierten Vorderseite des Gefährts befinden

(Hinweis von mir zu diesem Anspruch: Was bei Ackerschleppern/Traktoren ja normalerweise nicht der Fall ist, da sitzt man hinten!)

Als Nebenmerkmale (Nebenansprüche) zusätztlich und optional zum Hauptmerkmal werden definiert:

    • Dass Gänge für Geschwindigkeiten bis 50 Km/h vorhanden sind und dass das Fahrgestell gegenüber den Achsen gefedert ist.
    • Dass das Fahrzeuggetriebe mit Anschlüssen für (Zapf-)wellen ausgestattet ist.
    • Dass ein Schubrohr um mindestens eine Triebwelle herum angebracht ist.
    • Dass Radnabengetriebe an den Rädern angebracht sind, zur Erlangung von Bodenfreiheit in Höhe von (mindestens) dem Radradius.

Letzteres wurde später als Vorgelege, beziehungsweise im Ergebnis als Portalachsen bekannt und stellt eine der wichtigsten Eigenschaften aller Unimog dar. … Soviel zum ersten und wichtigsten Unimog-Patent.

 

1949 – Erste Serienproduktion, Unimog 70.200, der “Böhringer-Unimog”:
Ab Februar 1949 wurden in den Räumlichkeiten der Firma Gebr. Böhrunger in Göppingen die ersten 100 Vorserien-Unimog gebaut (VS1 genannt). Beginnend im Herbst 1949 wurden dann 500 Hauptserien-Unimog – genannt U70.200, der sogenannte Böhringer-Unimog – von etwa 90 Mitarbeitern, ohne Fließband, in weitgehender Handwarbeit produziert. Die Bezeichnung dieses Ur-Unimog entspricht wohl der Inventarnummer eines Prototyps. Der Letzte Unimog 70.200 lief bei Böhringer aber, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, bereits im März 1951 vom Band. Der Grund hierfür: Die Fertigungskapazitäten reichten nicht aus, um der Nachfrage nach Unimog-Fahrzeugen gerecht zu werden. Man hätte also in zusätzliche Produktionsanlagen investieren müssen. Mittlerweile hatte man aber – da der Morgenthau-Plan zwischenzeitlich vom Tisch war und stattdessen durch den Marshall-Plan von den Alliierten der (industrielle) Wiederaufbau Deutschlands nicht nur erlaubt, sondern sogar gefördert wurde – auch die Möglichkeit, in die alten Geschäftsfelder des Werkzeugbaus zurückzukehren, für welche die Anlagen bereits vorhanden waren. Dies erschien den Inhabern wohl als der insgesamt bessere Weg, gegenüber riskanten großen Investitionen für den Fahrzeugbau. Daher suchte man nach Möglichkeiten, die Unimog-Produktion abzugeben. Und fand sie auch.

 

NÄCHSTER ABSCHNITT:
Weiter in der Geschichte des Unimog geht es hier: Die Entwicklung ab 1950 bis zum Unimog 404 in 1955

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