
Dg-505, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
1950 bis 1951 – Daimler-Benz steigt ein, Umzug nach Gaggenau, der Unimog 2010:
Die Währungsreform 1948 sowie die Gründung der Bundesrepublik 1949 liegen hinter uns. Der Morgenthau-Plan, die ursprünglich bereits ab vor dem endgültigen Kriegsende seitens der Siegermächte geplante Umwandlung Deutschlands zum reinen Agrarstaat, die eventuell in Albert Friedrich erst die Grundidee für den „neuartigen Ackerschlepper“ erweckte, wird nicht mehr verfolgt. Stattdessen werden mittels des Marshall-Plans der industrielle Wiederaufbau Deutschlands und seine Eingliederung in das westliche Bündnis von den Alliierten gefördert. Es tun sich überall ganz neue Möglichkeiten auf. Das später berühmt berüchtigte Wirtschaftswunder nimmt so langsam an Fahrt auf. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hatte man seitens Böhringer, als Miteigner der Unimog-Entwicklungsgesellschaft, einen Abnehmer der Unimog-Produktion gesucht (siehe letzten Absatz des ersten Teils der Unimog-Geschichte) und in Form von Daimler-Benz auch gefunden. Dabei war Motorradrennfahrer Ernst Jakob Henne behilflich, der mit Hilfe seines Vermögens aus Siegesprämien in München eine sehr erfolgreiche Daimler-Benz-Generalvertretung aufgebaut und unter anderem auch nennenswerte Stückzahlen der bei Böhringer gebauten Unimog in seiner Region verkauft hatte. Er schlug dem Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Benz, Herrn Dr. Wilhelm Haspel, vor, die Unimog-Produktion in das ohnehin gerade „notleidene“ LKW-Montagewerk Gaggennau zu holen. … So geschah es dann auch. Nach dem vertraglichen Übergang der Produktionsrechte für den Unimog von der Entwicklungsgesellschaft an die Daimler-Benz AG am 27.10.1950 für damals sehr beachtliche 1 Million DM, inklusiver der Rechte von bis dahin insgesamt 6 angemeldeten (aber noch nicht gewährten) Patenten, zog die „Unimog-Mannschaft“ ab Januar 1951 schrittweise von der Firma Böhringer in Göppingen ins Daimler-Benz-Werk in Gaggenau, dem ältesten Automobilwerk der Welt, in dem noch Kapazitäten frei waren. Dort wurde dann nach einigen Verzögerungen, bedingt durch die Umstellungen aufgrund des Umzuges, ab Juni 1951 der Unimog 2010 gebaut, der nur unwesentlich modifiziert dem vorherigen (Böhringer-)Unimog 70.200 entsprach, der von Ende 1949 bis März 1951 bei Böhringer in Göppingen insgesamt 600 Mal gebaut wurde. Diese ersten bei Daimler-Benz gebauten Fahrzeuge hatten aber noch immer wie ihr Vorgänger das Ochsenkopfsymbol in Rot als Unimog-Emblem und keinen Mercedes-Stern. Der Nasenring des Ochsen zusammen mit dem Kreis drumherum ist gleichzeitig ein Rad und die Grafik um die Hörner herum ist das „U“ aus Unimog. Das Emblem symbolisierte damit das Tier, welches durch den Unimog ersetzt wurde und zudem den Namen Unimog. 1005 Exemplare vom Unimog 2010 liefen noch 1951 in Gaggenau aus den Werkstoren. Die Monatsproduktion wurde also von durchschnittlich etwa 40 Stück bei Böhringer auf knapp 150 Stück im Daimler-Benz-Werk gesteigert. Die Zahl 2010 als Baureihen-Bezeichnung stammt übrigens noch aus der Zeit der Unimog-Entwicklung bei Erhard & Söhne, wo die Nummerierung aller Pläne und Werkzeuge des Unimog mit dieser Ziffernfolge begann. Bis zum Erscheinen seines Nachfolgers Unimog 401 im August 1953 wurden fast 6.000 Unimog 2010 gefertigt.
Einschub: Widersprüchliche historische Daten zur Unimog-Entwicklung in unterschiedlichen Quellen
Wer sich über unterschiedliche Darstellungen der Unimog-Geschichte wundert, dem sei gesagt, dass es sich dabei nicht um Fehler handelt, sondern dass man schlichtweg nicht ganz genau weiß, wie alles ablief, weil es unterschiedliche Aussagen und Daten darüber gibt. Man findet keine zwei gleichen Fassungen, wo man auch schaut. Die Unterschiede sind teilweise erheblich. Einige Quellen berichten davon, dass Albert Friedrich schon ab 1945 wieder bei Daimler unter Vertrag war und nicht etwa „frei tätig“ gewesen ist. Er soll für Daimler in den Räumlichkeiten der Schokoladenfabrik Eszet, die später für die Brotaufstrich-Schokotäfelchen bekannt wurde, tätig gewesen sein. Walter Benseler (1912–1994) soll dort die ersten Zeichnungen vom Unimog gemäß den Skizzen von Friedrich angefertigt haben. Auch soll der initiale Anstoß zur Entwicklung eines neuen Ackerschleppers eventuell gar nicht von Friedrich stammen, kann man einigen Quellen entnehmen, sondern in Form des Entwurfs eines Wehrmachtstransporters noch während des Krieges bei Daimler geboren worden sein, unter der Leitung von Fritz Nallinger, der auch später noch unstrittig eine bedeutende Rolle bei Unimog hatte. Wieder andere Quellen berichten hingegen glaubwürdig, dass Friedrich mit seiner Ackerschlepper-Idee bei Daimler und auch bei anderen Automobilherstellern wie etwa BMW auf wenig Gegenliebe stieß – unmittelbar nach dem Krieg. Bereits im September 1945 soll Friedrich mit seiner Idee bei Daimler abgewiesen worden sein, wodurch es erst zur Zusammenarbeit mit Erhard & Söhne kam. Daimler-Benz Vorstand Wilhelm Haspel soll etwas gesagt haben in der Art von: „Wir sind eine anständige Automobilfabrik und kein Traktorenwerk.“ Die Zahlung seitens Daimler-Benz an die Entwicklungsgesellschaft zur Übernahme der Unimog-Produktion und der Patente soll gemäß einiger Quellen auch nicht wie oben beschrieben 1 Million DM, sondern „nur“ 600.000 DM betragen haben. … Generell widersprechen die Angaben in den Archiven von Daimler-Benz in vielen Punkten denen in anderen Quellen. Die nachträglichen Aufzeichnungen unterschiedlicher damaliger Beteiligter, wie zum Beispiel Zabel (Namensgeber des Unimog, s.o.) und Rößler (Entwicklungschef, s.o.), sowie auch die zusammengetragenen Informationen von Chronisten wie Manfred Braun aus Göppingen, sind nicht in allen Punkten mit den Archivdaten von Daimler in Einklang zu bringen und auch nicht untereinander. … Die hier erzählte Version der Geschichte ist daher die weitgehend unstrittige Schnittmenge all dieser Quellen, insbesondere was die Produktionsstätten der ersten Fahrzeuge bis hin zur Serienproduktion angeht, kombiniert mit den darauf basierend mir am plausibelsten vorkommenden Versionen der strittigen Abschnitte, insbesondere was die Anfänge unmittelbar nach dem Krieg angeht. Sie kann aber natürlich keinerlei Anspruch auf Korrektheit erheben! Es ist ein spannendes Stück deutscher Industriegeschichte, welches da im völlig zerstörten Nachkriegsdeutschland seinen Anfang nahm und sich leider nicht mehr hundertprozentig genau nachzeichnen lässt, zumindest nicht bei der derzeitigen Quellenlage.
Einschub: Auch die Daten der Patentierung werfen Fragen auf
Einen in der einschlägigen Literatur bisher noch unbehandelten Punkt finde ich persönlich zusätzlich verwunderlich – eventuell übersehe ich dabei aber auch nur etwas: Bereits im August 1948, auf der DLG-Messe in Frankfurt, wurde der Unimog ja offenbar ausgestellt. Das Patent zu seinem neuartigen Aufbau wurde aber erst im November des gleichen Jahres angemeldet. Eigentlich dürfen zu schützende Vorrichtungen vor der Patentanmeldung nicht veröffentlicht werden. Sonst sind sie nicht mehr neu und somit auch nicht mehr schutzfähig. Zwar gibt es diesbezüglich tatsächlich eine Ausnahme für Messen und Fachausstellungen, wenn die Anmeldung dann binnen 6 Monaten nachgeholt wird, was ja der Fall war, jedoch wird dann das sogenannte Prioritätsdatum auf den Tag der ersten Ausstellung vordatiert. Dies ist beim ersten Unimog-Patent aber nicht der Fall. Dieses hat das Anmeldedatum (=Priorität) am 21. November 1948, also nicht das Datum der Messe-Ausstellung in Frankfurt. Eventuell stimmt also auch an dieser Stelle etwas noch nicht so ganz mit den historischen Abläufen und Daten. Zwar wird in der Literatur von einer Verplompung der Motorhaube des (bzw. der) auf der Messe ausgestellten Unimog berichtet. Wesentliche Teile des im Patent geschützten Aufbaus sind damit aber dennoch sichtbar und somit, wie man im Patentwesen sagt, „neuheitsschädlich vorweggenommen“, was einen Schutz mit einem späteren Prioritätsdatum eigentlich ausschließt. … Die ganze Unimog-Geschichte ist und bleibt also ein spannendes Feld zur weiteren Erforschung, um die Abläufe wirklich im Detail nachzuvollziehen und zu verstehen.
1953 – Erste Baureihen mit Mercedes-Stern – Unimog 401 und 402:
Im August 1953 kam der Unimog 401 als nur unerheblich veränderter Nachfolger des Unimog 2010 auf den Markt und 3 Monate später zudem der mit 400 mm längerem Radstand versehene und ansonsten identische Unimog 402. Beide hatten nun den Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill, aber auch noch das Unimog-Logo auf der Haube. Dieses wurde bei diesen beiden Baureihen erst ab 1956 durch die Mercedes-Plakette ersetzt. Erstmals gab es auch Varianten mit Ganzstahlfahrerhaus, welches von Westfalia und nicht bei Daimler gebaut wurde. In dieser geschlossenen Variante wurden der Unimog 401 und 402 landläufig übrigens auch Froschauge genannt, aufgrund des Erscheinungsbildes von vorne betrachtet, mit den etwas hervorstehenden Leuchten. Die mit diesen Baureihen eingeführte Baureihenbezeichnung mit einer 3-stelligen, mit der Ziffer 4 beginnenden Zahl wurde bis zur Jahrtausendwende fortgeführt. Siehe hierzu auch: Erklärung der Unimog-Typenbezeichnungen
1953 – Entwicklung des Unimog 404, angeregt vom Militär:
Basierend auf einem Lastenheft der Französischen Armee, deren Offiziere sich nach der Sichtung von Versuchs-Unimogs auf dem Testgelände Sauberg bei Gaggenau im Jahr 1952 einen breiteren, längeren und schnelleren Unimog mit mehr Nutzlast und mit Benzinmotor (damals üblich in der Militärwelt) wünschten, wurde der Unimog 404 als „Sonderfahrzeug-Projekt“ mit der internen Nummer „F2“ entwickelt. Erste Prototypen namens MU 80/0 mit 2350 mm Radstand, die mit ihrem eckigen Fahrerhaus an einen vergrößerten Unimog 401 oder auch an einen US-Jeep erinnerten, wurden bereits im Frühjahr 1953 versuchsweise mit Feuerwehraufbauten der Firma Metz aus Karlsruhe versehen. Die Fahrzeuge waren für die Feuerwehrausstellung in Essen gedacht. Die Feuerwehr war neben dem Militär ein weiterer maßgeblicher Einflussfaktor bei der Entwicklung des Unimog 404. Im September 1953 wurde beim Landratsamt in Rastatt ein erster Prototyp für den Straßenverkehr zugelassen. Zwei Prototypen gingen zu Testzwecken an die Französische Armee. Weitere Exemplare erhielten die Schweizer Armee sowie die Britische Armee. Insgesamt gab es wohl zwischen etwa 20 und 30 Prototypen.

Lothar Spurzem, CC BY-SA 2.0 DE, via Wikimedia Commons
Ab 1955 – Der Unimog 404:
Der Unimog 404, der ganz zu Anfang ausschließlich und auch heute noch als eine Art Zweitname zusätzlich Unimog-S genannt wird, weil seine Entwicklung zu einer Zeit begann, als die mit der Ziffer 4 beginnenden Baumusterzahlen noch nicht eingeführt waren, wurde dann zunächst von 1955 bis 1957 in einer Anfangsserie mit kürzerem Radstand (2670mm) hergestellt. Ab 1956, also parallel dazu, begann die Produktion der Hauptserie mit 2900 mm Radstand, die sich bis 1980 fortsetzte. Das „S“ im ursprünglichen Haupt- und heutigen Zweitnamen stand für „Sonderfahrzeug“ und nahm Bezug darauf, dass es sich im Gegensatz zu den Unimog davor nicht um ein Agrarfahrzeug handelte. Ebenfalls ab 1956 startete parallel zur Produktion der Anfangs- und der Hauptserie des Unimog 404 auch die Herstellung des Unimog 411, der die Baureihen Unimog 401 und Unimog 402 ablöste.
Die weitere Entwicklung danach:
Die Besonderheiten der Entwicklungsgeschichte des Unimog in den unmittelbaren Nachkriegswirren nahmen nun so langsam ihr Ende und wichen einer herkömmlichen Weiterentwicklung der Fahrzeugfamilie bei Daimler-Benz. … Die nachfolgenden Baureihen bis 1976 – und auch nochmal die bereits bis hierhin betrachteten Baureihen – werden im nächsten Abschnitt der Einführung in chronologischer Reihenfolge mit ihren jeweils wichtigsten Daten und Eigenschaften in Kurzform beschrieben und verglichen. Zudem werden im letzten Abschnitt der Einführung die wesentlichsten Daten aller jemals gebauten Unimog-Baureihen bis zum heutigen Tag in Tabellenform aufgeführt.
NÄCHSTER ABSCHNITT:
Hier geht es zu einer kleinen vergleichenden Beschreibung der historischen Unimog-Baureihen mit Erscheinungszeitpunkt bis 1976.